Im September 1946, im Alter von 9 Monaten zieht Marie-Louise im Fond-de-Gras ein. Ihr Vater, der als Rangierer bei der CFL arbeitet, wurde soeben dorthin versetzt. An die Stelle ist eine Dienstwohnung im Bahnhofsgebäude, das heute noch besteht, gebunden.
Marie-Louise verbringt ihre Kindheit und Jugend im Fond-de-Gras und verlässt das Tal erst als sie heiratet.
Vor kurzer Zeit haben wir die Bekanntschaft mit dieser reizenden Dame gemacht, die so lieb war, uns ihre Erinnerungen an Fond-de-Gras zu schildern.
Marie-Louise wohnt also mit ihren Eltern, ihrem Bruder und ihrer Schwester im Bahnhofsgebäude. Vier Zimmer, eine Stube und eine Küche. Das Zimmer, das heute dem Train 1900 dient um den Zugverkehr zu verwalten, dient damals auch ihrem Vater.
Bahnhof Fond-de-Gras, Kindheitshaus von Maire-Louise Hopp © Photothèque de la Ville de Luxembourg, Photo Théo Mey, 1953
Es muss wohl nicht hervorgehoben werden, dass es damals im Gebäude kein fließendes Wasser, geschweige denn sanitäre Anlagen gibt. Immerhin, eine Quelle fließt hinten entlang, „das beste Wasser, das ich je zu trinken bekam“ betont Marie-Louise und fügt hinzu, dass ihre Mutter es ab und zu mit etwas selbstgemachter Marmelade verfeinert. Links vom Bahnhof, auf der heutigen Terrasse, umgeben Obstbäume ihren großen Gemüsegarten. Rechts stehen kleine Ställe mir Schweinen und Kaninchen. Der Keller dient als Räucherkammer und als Lager für Milch und Butter.
1966 verlässt Marie-Louise den Fond-de-Gras, um zu heiraten. Ihre Eltern bleiben jedoch da, sogar nach der Stilllegung der Gruben und der Zuglinie. Regelmäßig kommt sie noch mit ihrer eigenen Familie den Eltern einen Besuch abstatten. Erst 1983 verlässt ihr auch ihr Vater den Fond-de-Gras, nachdem die Mutter gestorben ist.
Bei unserem Gespräch erwähnt Marie-Louise, dass etwa 11 andere Familien zur gleichen Zeit im Fond-de-Gras lebten. Aber alle diese Gebäude sind verschwunden, allenfalls sieht man hier und da noch die Reste einiger Fundamente.
Möbellieferung Fond-de-Gras © Photothèque de la Ville de Luxembourg, Photo Théo Mey, 1953
Wenn wir Marie-Louise so zuhören, fällt uns ihr stets heiterer Ton auf, mit dem sie ihre Geschichten aus einer wohl sehr schönen Zeit schildert. Ein Zuckerschlecken war der Alltag im Tal zwar nicht, wohl aber gab es ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen dessen Einwohnern und Arbeitern. Die Winter sind hart im Fond-de-Gras, und wenn es heftig schneit, ist es nicht leicht, nach Pétange oder Rodange zu gelangen; in solchen Fällen geben sich die Machinenführer gerne bereit dazu, auch mal einen Fahrgast mitzunehmen.
Damals sind die meisten Stellen im Fond-de-Gras nicht mit dem Auto zu erreichen. Marie-Louise erinnert sich auch daran, als einst neue Möbel geliefert wurden: Eine Bahnlinie ging auf Dachhöhe hinter ihrem Haus entlang. Und so brachte eine Grubenbahn die Möbel hinter das Haus, von wo aus sie dann über eine Leiter durch eine Dachöffnung ins Haus gebracht wurden.
Heute kommt Marie-Louise gerne nach Fond-de-Gras und schwelgt auf der Terrasse des Café-Restaurants „Bei der Giedel“ in ihren Erinnerungen.