Orginal Version (Luxemburgisch)
Übersetzte Version:
Wenn man in den 1950er Jahren vom Fond-de-Gras hörte, dachte man vor allem an den Eisenerzabbau und alles, was damit zusammenhing. Diese körperlich anstrengende und gefährliche Arbeit war vollständig den Männern vorbehalten, denn das Gesetz von 1876 verbat Frauen- und Mädchenarbeit in den luxemburgischen Bergwerken. Frauen traf man im Fond-de-Gras, außer der „Giedel“, demnach nur selten an.
Das Ende des Eisenerzabbaus und die Schließung der letzten Mine im Fond-de-Gras im Jahr 1955 sowie die Gründung des Vereins Train 1900 im Jahr 1970 markierten den Beginn einer neuen Ära, in der Frauen allmählich ihren freigewählten Platz hier fanden. Mehr als 50 Jahre später ist ein großer Wandel spürbar. Anfang 2024 sind etwa 20 Frauen und Mädchen als Freiwillige, Angestellte oder Mitglieder des Verwaltungsrats in den drei ansässigen Vereinen des Minett Park Fond-de-Gras aktiv.
Die erste Frau, die mit an dem kulturellen und touristischen Angebot des Train 1900 arbeitete, war Frau Gaby Wolter. Seit 1982 ist sie als Freiwillige beim Train 1900 tätig und wurde 2022 mit dem Verdienstorden der Gemeinde Petingen ausgezeichnet. In unserem Interview fragten wir sie, wie sie zum Train 1900 kam, welche Aufgaben sie hatte, was sie motiviert, sich nach über 40 Jahren weiterhin als Freiwillige zu engagieren, ob sie als Frau in einem männlichen Bereich auf Schwierigkeiten stieß und welche Ratschläge sie jungen Frauen und Mädchen geben möchte, die sich in ähnlichen Bereichen engagieren möchten.
Gaby Wolter: Eine Pionierin
„Nachdem ich 1982 den Train 1900 zum ersten Mal mit einem damaligen Freund besuchte, beschloss ich 1983, aktives Mitglied des Vereins zu werden – ich fuhr eine kurze Zeit lang den Schienenbus und begann, Fahrkarten zu verkaufen. Ganz am Anfang waren wir in Rodange mit zwei Stühlen, einem Tisch und einem Sonnenschirm eingerichtet. Später empfing ich die Besucher während drei Jahren in einer Baubude in der Nähe des Bahnübergangs in Petingen, da der Zug nur bis dorthin fuhr. Seit 2003 haben wir den Posten 4 in Petingen im Bahnhof, welcher ein richtiges Büro mitsamt Schalter beinhaltet, was natürlich viel angenehmer ist.
Was mich nach über 40 Jahren Vereinsleben – darunter 20 Jahre im Vorstand und 15 Jahre als Sekretärin – immer noch motiviert, ist das Gleiche wie damals: Weil es mir Spaß macht! Ich schätze die Kommunikation mit den Menschen, freue mich die Maschinen in Betrieb zu sehen – besonders die Nummer 12, meine Lieblingsmaschine –, wenn viele Leute kommen, um dies selbst zu erleben und wenn am Ende alles so funktioniert, wie es soll.
Das einzige Mal, dass ich wirklich spürte, dass ich eine Frau in einem männlichen Bereich war, war vor 30 Jahren, als ich lernte, einen Schienenbus zu fahren und dies nicht wirklich akzeptiert wurde, was mich dazu brachte, damit aufzuhören. Aber zum Glück haben sich die Zeiten geändert. Die heutigen Generationen von Männern sind anders aufgewachsen als die vor 30 Jahren und diese Nicht-Akzeptanz stellt bei uns nun kein Problem mehr dar. Der Beweis dafür sind Doris und Caroline, die ersten beiden Frauen, die die Prüfung als Lokführerin im Verein bestanden haben und anschließend Dampflokomotiven fuhren.
Den jungen Mädchen und Frauen, die sich in einem männlichen Bereich engagieren möchten, würde ich raten, einfach sie selbst zu sein und ihre Arbeit gut zu machen – die Akzeptanz wird von selbst kommen.“
Eine dieser jungen Mädchen ist Charlotte Blard. Mit 12 Jahren beschloss sie, Mitglied des Vereins Minièresbunn Doihl zu werden und wurde somit das jüngste aktive Mitglied im Minett Park. Auch Charlotte fragten wir, wie sie dazu kam, was ihre Motivationen sind, was sie sich von diesem Ehrenamt erwartet und ob sie in diesem harten Umfeld von Minen, Lokomotiven und vielen Männern bereits auf Schwierigkeiten gestoßen ist und wie sie damit umgeht.
Charlotte Blard: Der Nachwuchs
„Das erste Mal besuchte ich die Mine im Frühling 2023 mit meinem Großvater und war sofort von der Mine und den elektrischen, den Dampf- und den Diesellokomotiven begeistert. Mein Interesse war geweckt. Während der Zugfahrt bemerkte ich ein Plakat, das die Besucher einlud, sich als Freiwillige zu engagieren. Also kontaktierte ich den Verein und am Sonntag, den 4. Juni 2023, begann ich mein Ehrenamt bei der Minièresbunn.
Meine Motivation, mich als Freiwillige zu engagieren, ist vielfältig: die kulturelle Vielfalt, der Kontakt mit Touristen aus verschiedenen Kulturen, das Wiederbeleben der Vergangenheit und die Freundlichkeit der Vereinsmitglieder, um nur einige zu nennen. Am meisten in diesem Ehrenamt freue ich mich darauf, neue Dinge zu entdecken und an der Organisation verschiedener Veranstaltungen teilzunehmen.
Ich habe noch keine Schwierigkeiten mit den Männern im Verein gehabt. Sie sind alle sehr freundlich und respektvoll mir gegenüber.“
Mit 84 Jahren ist Frau Anny Antony nicht das am längsten aktives weibliches Mitglied des Train 1900, aber sicherlich das älteste. Ihr Engagement hat jedoch nicht nachgelassen. Trotz dieses respektablen Alters ist sie immer noch sehr fit und der Verein kann noch lange auf ihr unermüdliches Engagement zählen. Die Gründe für ihre große Motivation erklärt uns Anny wie folgt:
Anny Antony: Eine aktive Zeitzeugin
„Ich wurde 1940 geboren, bin mit Dampflokomotiven aufgewachsen und war immer davon fasziniert. Damals hatten die Leute kein Auto. Wir nahmen den Bus und den Zug oder die Straßenbahn. Sogar die Polizei fuhr mit dem Fahrrad. Als mein Sohn begann, beim Train 1900 aktiv zu werden, habe ich immer geholfen, wenn Not am Mann bestand, und nach dem Tod meines Mannes vor fast 15 Jahren bin ich fast jeden Sonntag hingegangen. Solange es möglich ist, solange ich gesund bin, werde ich weitermachen.“
Wichtige Entscheidungen bezüglich des Minett Park werden im Hintergrund vom Verwaltungsrat getroffen. Dieser wurde von April 2022 bis April 2024 von einer Frau geleitet, Frau Laurence Brasseur, Vertreterin des Kulturministeriums im Verwaltungsrat der Minett Park asbl. Im Interview fragten wir Frau Brasseur, wie sie diese Zeit erlebt hat, wie sie die aktuelle und zukünftige Rolle der Frauen in einem Bereich wie der Industrie Kultur in Luxemburg sieht und welche Ratschläge sie jungen Mädchen und Frauen geben möchte, die denselben Weg gehen wollen.
Laurence Brasseur: Frauen an der Spitze
„Mein Mandat als Präsidentin der Minett Park asbl war eine schöne und intensive Zeit. Schön, weil ich mich als Präsidentin vielleicht ein wenig mehr als sonst im Verwaltungsrat einbringen konnte. Intensiv, weil es innerhalb der asbl eine Reihe von Veränderungen gab, insbesondere beim Personal und bei der neuen Direktion. Es gab also viel zu tun und zu unternehmen, was mir viel Freude bereitet hat.
Um die Frage zu beantworten, wie ich die Rolle der Frauen in einem historisch von Männern dominierten Bereich wie der industriellen Kultur in Luxemburg sehe, möchte ich eine kleine Nuance hinzufügen. Man sagt, und die Industrie ist tatsächlich ein traditionell männlicher Bereich, aber dies ist auch eine Frage der Perspektive.
Wenn man sich in der Geschichte auf die Personen konzentriert, die im aktiven Berufsleben standen, dann scheint natürlich alles männlicher zu wirken. Man sieht dies bei den Männern, die in den Minen arbeiteten, aber man beobachtet auch eine ähnliche Geschichte, wenn man über den Krieg berichtet wird. Man spricht über die Soldaten. Aber die Gesellschaft bestand schon immer zur Hälfte aus Frauen, die ebenfalls zur Gesellschaft beigetragen haben: vielleicht mehr im Hintergrund zu Hause, aber nicht nur. Frauen arbeiteten ja ebenfalls.
Es ist also eine Frage der Perspektive und ich denke, dass es heute wichtig ist, zu versuchen, Frauen sichtbarer zu machen. Zum Beispiel, wenn man die Rolle der Frauen in der Minett Park asbl betrachtet, sieht man, dass sie immer noch stark von Männern dominiert wird – sowohl im Team (1:3) als auch im Verwaltungsrat (1:11) gibt es ein Ungleichgewicht zwischen Frauen und Männern. Ich denke nicht, dass es wirklich eine Absicht der Männer ist, die Präsenz der Frauen zu reduzieren, aber vielleicht gibt es bei ihnen nicht genügend Bewusstsein, zum Beispiel bei der Ernennung von Mitgliedern in einen Verwaltungsrat, darauf zu achten. Und ich denke, unsere Aufgabe besteht darin, diese Sensibilisierungsarbeit fortzusetzen und sicherzustellen, dass unsere Stimmen gehört werden.
Deshalb ist es umso wichtiger und interessanter zu betonen, wie bereits in der Frage erwähnt, dass im Bereich der industriellen Kultur, hier in Luxemburg und in diesem Moment, einige Frauen Positionen einnehmen, in denen sie die Möglichkeit haben, einen anderen Blick auf die Geschichte zu werfen. Sie können nun Geschichten beleuchten, die bisher ein wenig mehr im Verborgenen geblieben sind.
Damit wir in Zukunft Frauen in allen Bereichen der Gesellschaft vertreten haben, möchte ich auf meiner persönlichen und beruflichen Erfahrung basierend, besonders den Mädchen und jungen Frauen, sagen, sie sollten einfach das tun, was ihnen gefällt, und nicht den Weg gehen, den man vielleicht von ihnen erwartet, sowohl im privaten als auch im beruflichen Leben. Wenn sie unsicher sind, sollten sie sich mit Menschen umgeben, die sie unterstützen, oder sich denen anschließen, die dies bereits tun – denn man kann enorm viel lernen.
Wie man in dieser sehr aktuellen Momentaufnahme von vier im Minett Park aktiven Frauen sehr gut erkennen kann, hat der Fond-de-Gras in den letzten Jahrzehnten einen Paradigmenwechsel erlebt: Wo es Frauen früher gesetzlich verboten war, aktiv zu sein, ist es heute selbstverständlich, dass Frauen sich engagieren und Spaß daran haben, eine Vergangenheit wieder aufleben zu lassen, an einem Ort, an dem sie früher nicht erwünscht waren.
Eine weitere dieser aktiven Frauen ist sicherlich Frau Robyn Wehles. Im Januar 2023, hat sie, nach 9 Jahren, in denen sie verschiedene Funktionen innerhalb der Verwaltung des Minett Park ausgeübt hat, den Posten der Direktorin übernommen. Im Interview erzählt sie uns von ihren Erfahrungen mit den Frauen im Fond-de-Gras sowie den Möglichkeiten, die ihnen in den beiden Vereinen – Minièresbunn und Train 1900 – geboten werden.
Robyn Wehles: Ein engagierter Blick
„In den 10 Jahren, in denen ich jetzt im Fond-de-Gras aktiv bin, ist der Anteil der Frauen größer geworden. Ich bin stolz, hier so viele interessante und äußerst engagierte Frauen kennengelernt zu haben. Wir haben das Glück, zwei großartige und vielfältige Teams von Freiwilligen aus allen Bereichen – jung und alt, Frau und Mann, Handwerker oder nicht – im Fond-de-Gras zu haben. Es gibt hier so viele Bereiche, in denen man aktiv sein kann, da findet jeder seinen Platz.
Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch besonders die Mädchen und jungen Frauen ermutigen, dies bei einem unserer Betriebstage zu entdecken. Vielleicht finden sie hier das gewisse Etwas, das sie gesucht haben, aber bisher noch nirgendwo gefunden haben. Denn um ganz ehrlich zu sein, den Charme und die Atmosphäre dieses versteckten Tals mitten in der Natur und die Gemeinschaft, die sich hier entwickelt hat, findet man nicht so schnell ein zweites Mal in unserem schönen kleinen Land.“
Wer sich nun mehr für die Rolle der starken Frauen interessiert, die die Bergleute im Alltag tatkräftig unterstützten, ist herzlich eingeladen, die Ausstellung „Aus Eisen“ der luxemburgischen Künstlerin Martine Federmeyer-Gwynne zu besuchen, die vom 18. Juli bis 15. September 2024 in der Hall Paul Wurth zu sehen ist. Dieses Projekt ist eine Hommage der Künstlerin an ihre Familie, ihre Großeltern und Urgroßeltern, deren Leben von der Arbeit in der Eisenerzindustrie geprägt war und deren Arbeit und Leben Luxemburg mitgestaltet haben.
Dieser Artikel wurde von einem Mann geschrieben.